Das Fjordland ruft – Kajaken im Milford Sound

Das Fjord­land mit sei­ner un­zu­gäng­li­chen Wild­nis aus glet­scher­be­deck­ten Ge­birgs­zü­gen, glas­kla­ren Berg­seen und nicht en­dend wol­len­den grü­nen Re­gen­wäl­dern ist unser nächs­tes Ziel. In den Wäl­dern wächst eine ver­schwen­de­ri­sche Fülle von Far­nen, Moo­sen und Flech­ten, die alle Bäume über­wu­chern. Lei­der gibt un­se­re Rei­se­kas­se kei­nen He­li­ko­pter­flug her, so daß wir die tra­di­tio­nel­len Ziele Mil­ford Sound und Doubt­ful Sound an­steu­ern wer­den.

Bevor wir in den Mil­ford Sound star­ten, über­nach­ten wir in Te Anau und las­sen uns im Kino auf das Fjord­land ein­stim­men: Im dor­ti­gen klei­nen Kino wird der Film „Shadow­land“ ge­zeigt, den ein orts­an­säs­si­ger He­li­ko­pter­pi­lot ge­dreht hat. Ich hatte mir den Film be­reits nach mei­ner Wan­de­rung auf dem Kep­ler Track an­ge­se­hen und war so be­geis­tert, daß ich mit Ela zu­sam­men noch­mals hin­ge­he: Ein „Flug“ über die High­lights des Fjord­lands bei Sonne, Regen und Schnee mit Blick auf schnee­be­deck­te Berge, im­mer­grü­ne Re­gen­wäl­der, rau­schen­de Flüs­se und Was­ser­fäl­le, zer­klüf­te­te Küs­ten und Glet­scher. Was für eine un­glaub­li­che Land­schaft!

Früh am nächs­ten Mor­gen ma­chen wir uns auf den Weg von Te Anau nach Mil­ford. 119 Ki­lo­me­ter „Sce­nic Drive“. Un­se­re Stim­mung ist etwas ver­hal­ten, da der Him­mel be­wölkt ist. Die Route bie­tet ei­ni­ge Aus­sichts­punk­te und klei­ne Spa­zier­gän­ge. Unser ers­ter Stop ist Egl­in­ton Val­ley mit tief­grü­nem, vom Wind wel­len­för­mig be­weg­tem Gras. Ei­gent­lich soll­ten in der Ferne schnee­be­deck­te Gip­fel am Tal­aus­gang zu sehen sein, aber …. Wol­ken!

Unser zwei­ter Stop sind die Mir­ror Lakes, in denen sich die ge­gen­über­lie­gen­de Berg­ket­te spie­geln soll­te. Zu­viel Wind, das Was­ser ist un­ru­hig, also keine Spie­ge­lung. Wir freu­en uns aber über die klei­nen, flau­schi­gen En­t­en­kü­cken, die auf dem Was­ser schwim­men und be­reits kräf­tig tau­chen. Auch Algen und Was­ser­schling­pflan­zen hal­ten sie nicht von ihren Tauch­gän­gen ab und wir ver­fol­gen ge­spannt, an wel­cher Stel­le die klei­nen Küken denn wie­der an die Was­ser­ober­flä­che plop­pen. Bei un­se­rem drit­ten Stop ver­tre­ten wir uns etwas län­ger die Beine und lau­fen in einem Rund­weg zum Lake Gun.

Kurz vor dem Homer Tun­nel haben wir einen spek­ta­ku­lä­ren Blick über das Hol­ly­ford Val­ley und auf dem nächs­ten Park­platz, den wir an­steu­ern, wer­den wir be­reits er­war­tet. Ein paar neu­gie­ri­ge Keas lie­gen auf Lauer. Na­tür­lich waren wir vor­ge­warnt und wuß­ten, daß wir diese Pa­pa­gei­en nicht füt­tern sol­len. Aber daß Keas re­gel­rech­te We­ge­la­ge­rer sind, er­fah­ren wir erst hier auf dem Park­platz. Auf dem Park­platz ste­hen be­reits zwei Fahr­zeu­ge, aber als wir Halt ma­chen, wen­den sich die bis­her dort sit­zen­den Keas prompt ab und lau­fen auf unser Fahr­zeug zu. Keas sind die ein­zi­gen Berg­pa­pa­gei­en der Welt. Sie sind gren­zen­los neu­gie­rig und er­schei­nen mit ihrem selt­sa­men wat­scheln­den Seit­wärts­gang lie­bens­wer­te Zeit­ge­nos­sen zu sein. Aber kaum aus den Augen ge­las­sen, knab­bern sie die Tür­gum­mis an, bei­ßen daran herum, bis die Gum­mi­fet­zen nur so her­um­flie­gen. Ich mußte unser Auto re­gel­recht be­wa­chen und den Keas immer wie­der mas­siv auf die Pelle rü­cken, um un­se­re Tür­gum­mis zu be­schüt­zen. Ent­war­nung gab es erst als ein neues Auto auf den Park­platz fuhr und wir un­in­ter­es­sant wur­den.

Der Ho­mer­tun­nel ist in den Som­mer­mo­na­ten auf Ein­bahn­stra­ßen­ver­kehr um­ge­stellt und mit einer Ampel ver­se­hen. Das ist viel­leicht auch bes­ser so, denn der steil zum Mil­ford Sound ab­fal­len­de, über einen Ki­lo­me­ter lange Tun­nel ist nicht ge­ra­de breit. Als wir ihn ver­las­sen er­öff­net sich uns ein herr­li­ches Pan­ora­ma auf noch mehr schnee­be­deck­te Gip­fel und – völ­lig un­er­war­tet – ein strah­lend blau­er Him­mel. Nach­dem vor dem Ho­mer­tun­nel noch Re­gen­trop­fen auf un­se­re Au­to­schei­ben fie­len, hat­ten wir ja nun gar nicht mehr mit Sonne und schon gar nicht mit blau­em Him­mel ge­rech­net.

Mil­ford ist ein win­zi­ges Dorf, das im Win­ter auch mal tage- oder wo­chen­lang von der Au­ßen­welt ab­ge­schnit­ten ist, wenn La­wi­nen die Stra­ße ver­schüt­ten. Keine 50 Ein­woh­ner har­ren hier im Win­ter aus. Im Som­mer da­ge­gen ist Tou­ris­mus pur an­ge­sagt. Bus­la­dun­gen von Tou­ris­ten wer­den aus Te Anau und Queen­s­town an­ge­karrt und strö­men gegen Mit­tag auf die Schif­fe für eine Aus­flugs­fahrt im Mil­ford Sound.

Wir wol­len dem aus dem Weg gehen und haben uns für eine Ka­jak­tour an­ge­mel­det. Un­ge­fähr 30 Mi­nu­ten Ka­jak­fahrt und dann eine klei­ne Wan­de­rung auf dem be­rühm­ten Mil­ford Track. Ein­schließ­lich zwei Füh­rern sind wir nur 7 Leute. Wir wer­den pro­fes­sio­nell ein­ge­klei­det und ver­wan­deln uns in echte Ka­jak­fah­rer mit Schür­ze, was­ser­dich­ter Jacke und Schwimm­wes­te. Ela über­nimmt das Steu­ern, wäh­rend ich im vor­de­ren Ka­jak­sitz Platz nehme. Wir pad­deln von De­ep­wa­ter Basin den Ar­thur River hin­auf und er­hal­ten einen ers­ten Ein­druck von der Land­schaft des Mil­ford Sounds vom Was­ser aus ge­se­hen. Herr­lich! Wir pad­deln den Fluß hin­auf bis Sand­fly Point, wo wir uns von Ka­jak­fah­rern in Wan­de­rer ver­wan­deln und ge­müt­lich den Mil­ford Track ein Stück ent­lang­wan­dern. Es ist das letz­te Teil­stück einer mehr­tä­gi­gen Wan­de­rung, das wir hier be­ge­hen.

Sand­fly Point hat im üb­ri­gen nicht um­sonst sei­nen Namen. Hier ma­chen die Sand­flie­gen einem das Leben wirk­lich zur Hölle. Mao­ri-Le­gen­den be­rich­ten nicht nur von der Er­schaf­fung des Mil­ford Sounds, son­dern auch von der Er­schaf­fung der Sand­flie­gen:

Das Fjord­land ent­stand als der Gott Tu-to-Ra­kiw­ha­noa mit sei­ner Axt Fur­chen in den Stein zog und nur die In­seln Re­so­lu­ti­on Is­land und Se­creta­ry Is­land un­ver­än­dert ließ, denn auf die­sen stan­den seine Füße. 14 Fjor­de weist das Fjord­land auf und die Tech­nik von Tu-to-Ra­kiw­ha­noa war zu Be­ginn, als er die ers­ten Fjor­de im Süden er­schuf, noch etwas un­ge­lenk. Mit der Zeit ver­bes­ser­te er seine Ar­beit und setz­te all sein Kön­nen ein um als letz­tes den Mil­ford Sound zu er­schaf­fen. Sein Meis­ter­werk. Als er zu­frie­den mit sich seine Ar­beit be­trach­te­te, wurde er von der Göt­tin des Todes Te-Hi­ne-nui-to-po ge­rügt. Sie be­fürch­te­te, die­ses von Tu ge­schaf­fe­ne Pa­ra­dies Mil­ford Sound könne so wun­der­bar sein, daß die Men­schen für immer hier leben woll­ten. Und so ließ sie die Sand­flie­gen frei, um die Men­schen an ihre Sterb­lich­keit zu er­in­nern. Der Ort an dem Te-Hi­ne-nui-to-po die Sand­flie­gen frei ließ ist heute das Ende des Mil­ford Tracks und trägt den Namen Sand­fly Point. Zwei­fe­l­os haben diese klei­nen schwar­zen Bies­ter ihre Auf­ga­be er­füllt. Sieht man Tou­ris­ten mit un­ko­or­di­nier­ten Tanz­be­we­gun­gen wild mit den Armen we­deln, dann wer­den sie si­cher­lich von einem Schwarm Sand­flie­gen ge­plagt. Und die Nach­we­hen der Sand­flie­gen hal­ten noch ta­ge­lang an, denn die klei­nen Bisse die­ser Bies­ter ju­cken zum Ver­rückt wer­den.

Am nächs­ten Tag bre­che ich zu einer 4-stün­di­gen Ka­jak­tour auf. Von De­ep­wa­ter Basin aus geht es mor­gens um kurz vor 8 Uhr ein klei­nes Stück­chen den Ar­thur River hoch. Das Was­ser steht recht hoch heute mor­gen und so kön­nen wir einen klei­nen Kanal unter tief hän­gen­den Bäume ent­lang fah­ren. Dann pad­deln wir in den Mil­ford Sound hin­aus. Noch sind keine Aus­flugs­boo­te un­ter­wegs. Es ist idyl­lisch ruhig. Die Sonne scheint be­reits, strah­lend blau­er Him­mel und wir be­we­gen uns in einer un­ver­gleich­li­chen Ku­lis­se. Wir pad­deln die linke Fjord­sei­te ent­lang und sehen in ei­ni­gen Ki­lo­me­tern Ent­fer­nung den Stir­ling Was­ser­fall. In­zwi­schen fah­ren die ers­ten Aus­flugs­boo­te an uns vor­bei und wir ler­nen mit den Wel­len die­ser Boote zu sur­fen oder un­se­re Ka­jaks di­rekt in die Wel­len zu dre­hen. Wir sind be­reits ein gan­zes Stück in den Sound hin­ein­ge­pad­delt, als wir plötz­lich auf eine Grup­pe Del­fi­ne tref­fen, die gar nicht so weit ent­fernt von uns den Sound hin­auf­schwimmt. Immer wie­der sehen wir die glat­ten Rü­cken mit den Rü­cken­flos­sen strom­li­ni­en­för­mig das Was­ser durch­schnei­den. Was für ein Schau­spiel! Nur Fo­to­gra­fie­ren im Kajak ist spon­tan ein­fach nicht mög­lich. Mein Foto ist si­cher in einer Dry­bag spritz­was­ser­ge­schützt ver­staut. Also ge­nie­ße ich den An­blick ein­fach, denn Del­fi­ne las­sen sich hier im Mil­ford Sound im Schnitt wohl nur ein­mal im Monat bli­cken. Glück ge­habt!

 

Wir que­ren mit den Ka­jaks auf die an­de­re Seite des Sounds und es er­war­tet uns ein un­ver­gleich­li­cher Blick auf den ver­glet­scher­ten Mitre Peak. Zu­rück Rich­tung Mil­ford geht es vor­bei an dem Bowen Was­ser­fall, der den klei­nen Ort mit Trink­was­ser ver­sorgt. Die Was­ser­fäl­le füh­ren der­zeit nicht all­zu­viel Was­ser wird mir ge­sagt, denn es hat be­reits seit ei­ni­gen Tagen (4 oder 5 Tage!) nicht mehr ge­reg­net. Ist mir recht, denn ich finde eine Ka­jak­tour bei Sonne ein­fach schö­ner.

Al­ler­dings sind so­vie­le Son­nen­ta­ge am Stück keine Selbst­ver­ständ­lich­keit im Fjord­land bei einem Re­gen­auf­kom­men von rund sie­ben Me­tern und durch­schnitt­lich 220 Re­gen­ta­gen im Jahr. Aber viel­leicht sind die Son­nen­ta­ge hier im Mil­ford Sound die Ent­schä­di­gung für meine Re­gen­ta­ge wäh­rend des Kep­ler Tracks. Mal ge­winnt man, mal ver­liert man …

 

 

… und nach die­sem schö­nen, er­leb­nis­rei­chen Vor­mit­tag geht es mit dem Auto zu­rück nach Te Anau.

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