Einsam im Whanganui River

Im Rei­se­füh­rer wird die Whan­ga­nui River Road als land­schaft­li­cher Hö­he­punkt an­ge­prie­sen; es sei un­be­dingt ein Aus­flug an den Fluß Whan­ga­nui zu ma­chen. Da die Stra­ße aber einen gro­ßen Teil nur ge­schot­tert ist, haben wir dar­auf ver­zich­tet ihr einen Be­such ab­zu­stat­ten. Denn unser Miet­wa­gen­ver­trag sagt: „no gra­vel­roads“. Also be­schlie­ßen wir kur­zer­hand den Whan­ga­nui River per Kanu zu er­kun­den. Über die Dis­co­very-Lodge or­ga­ni­sie­ren wir uns die­sen Ta­ges­aus­flug und ste­hen mor­gens um 8:00 Uhr bei Wades Lan­ding parat. Wir be­äu­gen den Him­mel sehr skep­tisch. Die Wol­ken hän­gen tief und dicht und nach dem Regen ges­tern trau­en wir der Wet­ter­vor­her­sa­ge mit „main­ly fine with iso­la­ted show­ers in the af­ter­noon“ nicht wirk­lich. Aber be­reits in der Lodge von Wades Lan­ding wird uns ver­si­chert, daß es unten am Fluß, der rund 700 Meter tie­fer liegt, deut­lich wär­mer und es ein herr­li­cher Tag zum Kanu fah­ren sei.

Mit einem Klein­bus geht es eine Stun­de über eine Schot­ter­pis­te bis zum Start­punkt un­se­rer Ka­nu­tour in Wha­k­aho­ro. Ge­ra­de mal 30 Fa­mi­li­en leben in dem Tal ent­lang un­se­rer Fahrt­stre­cke. Immer wie­der be­geg­nen uns an der Stra­ße ver­ein­zelt ste­hen­de Brief­käs­ten, dar­un­ter auch ein lie­be­voll ge­stal­te­ter „All Blacks“-Brief­kas­ten. Kiwis sind eben Rug­by-ver­rückt. Uns kommt ein ein­zel­ner Fuß­gän­ger ent­ge­gen mit zwei gro­ßen Grey­hounds an der Leine. Kaum haben wir ihn pas­siert, als wir auch schon an meh­re­ren An­hän­gern und sei­nem Auto vor­bei­fah­ren, die er für die Grey­hound-Zucht ver­wen­det. Ein Uni­kum wie es scheint mit einer aus­ge­präg­ten Grey­hound-Pas­si­on. Auch eine Schu­le ist in die­sem Tal zu fin­den: 7 Schü­ler, 2 Leh­rer; al­ler­dings seit ei­ni­gen Jah­ren pri­vat be­trie­ben, da die Re­gie­rung die Schu­le man­gels aus­rei­chen­der Schü­ler­zah­len ge­schlos­sen hatte.

Trotz Schot­ter­pis­te kom­men wir er­staun­lich schnell voran und fah­ren immer wei­ter den Berg hinab bis un­se­re Fahrt jäh ge­bremst wird. Ein­zel­ne Scha­fe sind die Ver­kehrs­am­peln Neu­see­lands, aber diese Schaf­her­de hier auf der ge­sam­ten Brei­te der Stra­ße ist ein all­um­fas­sen­des Stop­schild. Und Zeit haben die Kiwis so­wie­so immer. So plau­dert der Schaft­rei­ber erst mal eine Weile mit un­se­rem Fah­rer; er­kun­digt sich in brei­tem Ki­wi-Eng­lisch nach „one-day­ern“ und „3-day­ern“ und er­zählt davon, daß sie ein Rind, das ab­ge­stürzt war, oben am Hang not­schlach­ten muß­ten. Ne­ben­bei amü­sier­te er sich groß­ar­tig über einen deut­schen Tou­ris­ten, der in diese blu­ti­ge Pro­ze­dur hin­ein­ge­stol­pert ist und wohl etwas scho­ckiert war.

„One-day­er“ sind im üb­ri­gen Ela und ich. Wir ma­chen nur eine 1-tä­gi­ge Ka­nu­tour auf dem Whan­ga­nui River. Die „3-day­er“ sind dann doch län­ger un­ter­wegs und fah­ren 3 Tage den Fluß hin­un­ter, mit vol­lem Ge­päck und Ver­pfle­gung, da der Fluß in die­ser Pas­sa­ge nicht wei­ter zu­gäng­lich ist.

Schließ­lich kom­men wir am Aus­gangs­punkt un­se­rer Fahrt an, ver­pa­cken un­se­re Sa­chen in was­ser­dich­te Ton­nen, er­hal­ten eine Karte und ein paar An­wei­sun­gen und pad­deln los. Wir sind die ers­ten auf dem Fluß und es dau­ert eine Weile bis wir von wei­te­ren Kanus ein­ge­holt wer­den. Bis dahin haben wir die ers­ten klei­ne­ren Strom­schnel­len be­reits er­folg­reich ge­meis­tert und haben uns an einer Stel­le ein wenig wei­ter den Fluß hin­un­ter we­ni­ger er­folg­reich auf ein paar Stei­ne ge­setzt. Da hän­gen wir nun, rüt­teln und schüt­teln das Kanu, ver­su­chen nicht ins Was­ser zu fal­len und trotz­dem von die­sen dum­men Stei­nen wie­der hin­un­ter­zu­kom­men. Erst als ich halb­wegs bis zu Ela ans vor­de­re Ende des Kanus – über die bei­den Ton­nen hin­weg – vor­ge­krab­belt bin, schwemmt uns das Was­ser frei. Wohl doch zu­viel ge­ges­sen ges­tern. Ab so­fort sind wir auf­merk­sa­mer beim Na­vi­gie­ren und kom­men ganz gut klar. Ab und zu über­rascht uns al­ler­dings eine Un­ter­strö­mung im Was­ser und führt uns an der Nase herum. Als Steu­er­mann werde ich da schon mal mit der Frage „willst du ans Ufer fah­ren?“ kon­fron­tiert. Nein, woll­te ich ei­gent­lich nicht, aber das Boot fährt manch­mal nicht da hin wo ich hin will.

Be­reits nach 1 ½ Stun­den er­rei­chen wir das erste Camp Man­ga­pa­pa. Schon 11 Ki­lo­me­ter ge­pad­delt! Wir ma­chen eine wohl­ver­dien­te Pause und stär­ken uns für den nächs­ten Ab­schnitt. Dann pad­deln wir wei­te­re 16 Ki­lo­me­ter durch un­be­rühr­te Natur. War der Fluß auf dem ers­ten Ab­schnitt an­fangs noch von fla­chen Ufer­bö­schun­gen ein­ge­fasst, rah­men uns jetzt steil an­stei­gen­de Ufer­fel­sen ein. Bäume, Bäume, Bäume. Und wenn es keine Bäume sind, dann Farne, die in Men­gen an den Ufer­fel­sen wach­sen. Blau­er Him­mel run­det die­ses Pa­ra­dies ab. Vögel zwit­schern und keine Ge­räu­sche aus der Zi­vi­li­sa­ti­on weit und breit. Ein tol­les Er­leb­nis! Wir un­ter­bre­chen un­se­re Fahrt noch­mals auf einem klei­nen Kies­s­trand, der mit einem um­ge­fal­le­nen Baum ein her­vor­ra­gen­des Pick­nick­plätz­chen bie­tet. Ein paar an­de­re Ka­nu­fah­rer zie­hen an uns vor­bei, aber ei­gent­lich sind wir al­lei­ne auf dem Fluß un­ter­wegs.

Wir mo­bi­li­sie­ren noch ein­mal un­se­re Arme für das letz­te Stück und ent­de­cken schon bald das nächs­te Camp Ohau­o­ra, von dem aus wir auf­ge­sam­melt wer­den. Zu­rück zu un­se­rem Start­punkt geht es mit einem klei­nen Jet­boot, das ge­ra­de mal 6 Leute fasst. Unser Kanu bleibt zu­rück und wird wohl ein an­der­mal auf­ge­sam­melt. Mit uns fährt ein Ehe­paar zu­rück, deren Kanu nun auf das klei­ne Jet­boot ge­schnallt wird – Hu­cke­pack im Quer­for­mat !!! Ge­gen­ver­kehr wird also nicht er­war­tet. Mit Speed geht es nun fluß-auf­wärts. Über Stel­len, die wir als Ka­nu­fah­rer als flach be­ur­teilt haben, schießt das Jet­boot ein­fach hin­weg. Und uns wird bei der 30-mi­nü­ti­gen Fahrt erst be­wußt wie weit wir heute tat­säch­lich ge­pad­delt sind.

In Wha­k­aho­ro er­war­tet uns schon der Mi­ni­bus für den letz­ten Teil des Rück­trans­ports. Ein klei­nes High­light er­hal­ten wir noch zum Ab­schluß: Als wir wie­der auf der Höhe sind, ist das Wet­ter so klar, daß wir in der Ferne den an der West­küs­te lie­gen­den Vul­kan Mount Ta­ra­na­ki sehen kön­nen. Ein sel­te­ner An­blick, wie uns unser Fah­rer er­zählt.

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