Tikal – ein großer Traum erfüllt sich

 

Ich habe jahrelang ein Brettspiel bei mir zu Hause liegen gehabt: Tempel in Tikal bauen – je höher desto besser. Gewinner des Spiels war derjenige, der die meisten und höchsten Tempel auf dem Spielplan, der Tikal nachempfunden war, gebaut hat. Ich bin ein großer Ruinen-Fan: Burgruinen, Kirchenruinen, Tempelruinen, die Ruinen von Angkor Wat in Kambodscha … Mayatempel fehlten noch in meiner Sammlung. Und schon lange hat mich der Gedanke gereizt einmal die Mayaruinen in Tikal zu besichtigen – eine Ruinenstadt vom Urwald verschlungen. Heute hat sich dieser Traum erfüllt.

Ein Tagesausflug von San Ignacio/Belize aus nach Tikal in Guatemala steht auf meinem Programm. Früh morgens werde ich mit drei anderen von einem Tourguide aufgesammelt. Eine kurze Fahrt bringt mich an die Grenze; dort erwartet uns schon der Guide aus Guatemala. Gute anderthalb Stunden dauert die Fahrt von der Grenze bis nach Tikal. Dann bin ich da – es geht los! Die Spannung bleibt noch ein bißchen erhalten, da ich erst einmal einige Minuten zu Fuß durch den Urwald laufen muß bis die ersten Tempel in Sicht kommen – die Zwillingspyramiden. Gut erhalten und zum Besteigen wie geeignet. Klar will ich rauf! Von oben eine erste Orientierung. Die drei größten Tempel aus Tikal ragen aus dem Blätterdach heraus und ich kann sie von meinem Aussichtspunkt erspähen.

Unten wieder angekommen mache ich mich gleich auf zum Tempel IV, dem mit rd. 70 Metern höchsten Tempel in Tikal. Von dort soll die Aussicht noch besser sein. Der Tempel ist nur im oberen Drittel freigelegt, die unteren Drittel sind nach wie vor unter Bäumen und Geröll verborgen. Auf Holztreppen, die an der Seite des Tempels emporführen, erklimme ich meinen zweiten Tempel in Tikal. Von hier ist die Aussicht überwältigend. Regenwald so weit das Auge reicht. Leider wieder ein diesiger und wolkiger Tag. Ich kann mir nur vorstellen, welche Fernsicht ich bei gutem Wetter hätte. Immer wieder ragen aus dem Urwald einzelne Tempel heraus. Ein riesiges Areal. Der zentrale Bereich von Tikal erstreckt sich über ein Gebiet von etwa 16 Quadratkilometern mit über dreitausend Bauten. Viele Gebäude sind noch nicht ausgegraben und erforscht worden. Den Schätzungen nach haben während dem Höhepunkt der Macht in der klassischen Periode (8. Jahrhundert) in Tikal mindestens 50.000 Menschen gelebt. Ich versuche mir Tikal mit seinen Tempeln im 8. Jahrhundert vorzustellen – ohne den Urwald, die Tempel gekalkt und rot angemalt, die Mayas in bunten Trachten und die Priester mit buntem Federkopfschmuck.

Es muß ein sehr erhabenes Gefühl gewesen sein, als Priester dort oben auf den Treppenstufen des Tempels zu stehen. Ein weniger erhabenes Gefühl hatten vermutlich die Mayas der Arbeiterschicht, die die Steine für all diese Tempelbauten bewegen mussten.

Es geht weiter zum nächsten Tempel-Highlight – zur großen „Pyramide der Verlorenen Welt“. Unterwegs weist uns unser Guide auf die Mauern der riesigen Wasserreservoirs und auf unterirdische Aufbewahrungsräume der Maya hin. Die Pyramide der verlorenen Welt ist eine vierseitige Struktur, 30 Meter hoch, mit Masken und Treppen an allen vier Seiten. Oben auf der Pyramide stand nie ein Tempel. „The Lost World“ von Tikal enthält die älteste Strukturen innerhalb der Ruinen der antiken Stadt und war entgegen vielen anderen Pyramiden und Tempeln nie überbaut. Unser Guide nennt sie das Observatorium der Maya zur Beobachtung der Sterne und Planeten.

Bei Tempel V werden wir von unserem Guide vor dem Aufstieg gewarnt – nur für schwindelfreie Personen! Die Originalstufen sind leider nicht begehbar, da sie nicht durchgehend bis oben restauriert wurden. Aber vielleicht ist das auch besser. Der Tempel sieht sehr, sehr steil aus. Erst auf den zweiten Blick werden auf der linken Seite des Tempels die Holzleitern sichtbar, die zur Plattform des Tempels führen – steil, als ob ich in die Wanten eines Großseglers steige. Ich mache mich an den Aufstieg und kann nach einiger Zeit aus 57 Metern Höhe den Blick nach unten bewundern. Schwindelerregend!

Dem ein oder anderen zittern die Knie bei dem Gedanken, hier wieder runter steigen zu müssen. Auch ich mache mich langsam und vorsichtig nach einer kleinen Pause mit genußvoller Aussicht an den Abstieg.

Zum Abschluß und als Highlight schlendere ich über den großen Platz. Er wird von dem Palast, dem Tempel des großen Jaguars (Tempel II), dem Maskentempel und der Akropolis eingerahmt. Hier stehen die Tempel frei vom Urwald, so daß der Unterschied zu den übrigen Tempeln, die noch mitten im Urwald eingerahmt von Bäumen stehen, deutlich wird. Ich könnte hier Stunden verbringen und zwischen den Ruinen sitzen und träumen. Aber leider sammelt uns unser Tourguide wieder ein und nach einem sehr späten Mittagessen geht es zurück nach San Ignacio.

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