Im Manú Nationalpark

Ich bin zurück aus dem Manú. Leider. 9 Tage Amazonas – wirklich eine Reise wert. Nachdem ich hier berichte, hat mich hat also weder ein Kaiman angeknabbert, noch mich eine Schlange angezischelt. Und so habe ich die Tage, die von Pantiacolla Tours professional organisiert wurden, verbracht:

17.09.2011: 18 Uhr Briefing im Büro von Pantiacolla. Die Tour wird nochmal durchgesprochen. Fragen über Malaria, Fernglas, Bettwäsche, Essen und Trinken, Schlangen und was uns sonst noch so alles einfällt werden besprochen. Und schließlich unterschreiben wir, daß wir auf eigenes Risiko in den Dschungel fahren. Langsam macht sich Aufregung breit. Um mich abzulenken treffe ich mich Abends noch mit zwei Brasilianern, die ich auf der Busfahrt nach Cusco kennengelernt habe, in Paddy´s Pub auf ein Bier – Cusqueña, auch wenn es irisches Bier gibt.

18.09.2011: Morgens zu unchristlicher Zeit um 4:30 Uhr klingelt mein Wecker. Ab 5 Uhr soll ich aufgesammelt werden. Wir treffen uns im Pantiacolla-Office. Es war natürlich spät gestern und so bin ich nur halb wach. Letzte Vorbereitungen und um 6 Uhr startet unser Bus zur Fahrt in den Manú. Ein voller Tag Busfahrt steht uns bevor. Und natürlich hört die Teerstraße bereits 1 Stunde hinter Cusco auf. Schotter. Unser erster Stop sind nach 3 Stunden die Gräber von Ninamarka. Der Himmel ist grau, wolkenverhangen, es ist kalt (bibber, warum habe ich meine Daunenjacke in Cusco gelassen?) und die Grabtürme der pre-Inkakultur Lupaca, hoch in den Anden an einem Berghang gelegen, sehen ziemlich mystisch aus. Einige der ursprünglich hier begrabenen Mumien habe ich in Cusco im Museum bestaunt.

So langsam wache ich auf und mich beschäftigen statt der mystischen Gräber eher profane Dinge, wie Hunger. Eine halbe Stunde später stoppen wir dann auch zum Frühstück in dem kleinen kolonialen Ort Paucartambo. Eine alte Brücke spannt sich idyllisch über den Fluß. Ich bummele noch ein bißchen durch die Straßen und den kleinen Markt. Käse wird verkauft und Spanferkel liegen fertig zubereitet auf dem Rücken in ihren Schüsseln. In Paucartambo findet jedes Jahr zum 16. Juli ein Festival zu Ehren der Virgen del Carmen statt. Dann verwandelt sich der kleine verschlafene Ort in eine der größten Straßenpartys von Peru mit zehntausenden von Menschen. Ich muß ja auch in Zukunft noch Ziele haben … .

Von Paucartambo aus wird die Schotterpiste langsam aber sicher immer schmäler. Wieder fahren wir meine geliebten Bergstraßen mit tiefen Abgründen entlang. Eine Serpentine nach der anderen. Immerhin müssen wir fast 4.000 Höhenmeter hinab bis wir auf dem Niveau des Rio Manú sein werden. Einspurig mit Gegenverkehr geht es den Berg hinunter, kleine Ausweichbuchten, der Bus muß zurücksetzen – Hilfe! Ich sehe doch so schon beim Blick aus dem Fenster keine Straße mehr. Abhänge mit wunderschönen Panorama-Weitblicken – oder doch eher Tiefblicken? Garland, ein Amerikaner, erzählt aufmunternd, daß die Straße vor 30 Jahren bereits genauso aussah. Immer wieder sind alte Erdrutsche zu sehen, durch die die Straße neu gebahnt wurde. Zwischendurch fängt es an zu regnen und wir erhalten einen kleinen Vorgeschmack auf die Straße zur Regenzeit. Die Straße sei in einem sehr guten Zustand wird mir versichert. Wie wird es wohl zur Regenzeit aussehen? Ich möchte das nicht kennenlernen und schicke jetzt schon mal eine Bitte zu Petrus die Regenzeit dieses Jahr nicht in den nächsten 10 Tage beginnen zu lassen.

Den ersten Zipfel des Nationalparks Manú erreichen wir auf einer Höhe von 3.500 m. Aber die nächsten Tage werden wir erst noch in der sogenannten kulturellen Zone des Manú verbringen. Durch diesen Teil führt die Straße und auch der Rio Alto Madre de Dios, den wir per Boot entlangfahren werden. Im kulturellen Teil des Manú gibt es Dörfer, es wird Holz abgebaut, es gibt Plantagenwirtschaft und Tiere werden gejagt. Deshalb halten die Tiere Abstand und sind weniger zu sehen.

Kurz vor unserer Lodge für diese Nacht in San Pedro steigen wir aus und laufen den Rest zu Fuß. Unterwegs machen wir an einem tollen Vogelbeobachtungsposten Pause: Hier ist der farbenfrohe Andenklippenvogel zu Hause und zeigt sich uns auch. Der Nationalvogel von Peru sieht mit seinem bogenförmigen Federkamm, der vom Hinterkopf bis zum Schnabel reicht und den Schnabel beinahe verdeckt, wirklich ulkig aus. Wir hatten das Glück gleich ein halbes Dutzend dieser Vögel mit ihrem knallig orange-roten Kopf beobachten zu können.

Kurz vor Einbruch der Dämmerung erreichen wir unsere Lodge mit idyllischem Blick auf den Fluss, der tief unten entlangrauscht. Dusche, Abendessen und noch ein wenig erzählen und dann fallen wir auch schon ins Bett.

19.09.2011: Wir werden die nächsten Tage unser frühes Aufstehen morgens um 5:30 Uhr beibehalten. Nach einem gemütlichen Frühstück laufen wir das erste Stück zu Fuß. Der Koch muß noch zusammenpacken. Dann sammelt uns der Bus für die vorerst letzten 3 Stunden Busfahrt ein. In Atalya steigen wir in die Boote um. 8 Passagiere, Gepäck, Koch, Guide, Bootsführer und Gehilfe sowie Essen und Wasser für 10 Tage. Das schmale lange Boot ist vollgepackt und liegt tief im Wasser. Und der Fluss – der Rio Alto Madre de Dios – hat wegen der Regenfälle der letzten Tage eine tolle Strömung und mehr Wellen als die Ostsee. Zum Glück geht es flussabwärts. Das Wasser ist schlammig braun. Kaum vorstellbar, daß im Juli und August das Wasser blau und klar sein soll. Nach dem grauen Himmel gestern jagen heute weiße Wolken über den blauen Himmel. Es ist warm. Trotzdem packe ich meine Regenjacke aus und decke meine Beine mit dem für 20 Soles (6 EUR) erstandenen Regencape in grüner Tarnfarbe ab. Immer wieder schwappen Wellen in unser Boot und ich scheine ganz vorne sitzend besonders viel Wasser abzubekommen. Immer wieder passieren wir trotz des vielen Wassers extrem flache Stellen im Fluss. Ich höre ein ominöses lautes Klickern unter mir; bin etwas irritiert und stelle nach einigen weiteren flachen Stellen fest, daß die Strömung die im Fluss liegenden Steine mit sich reißt und diese das Klicker-Geräusch verursachen.

Und dann steht Boot fahren, Boot fahren und nochmals Boot fahren auf dem Programm. Selbst zu Mittag essen wir im Boot. Es ist später Nachmittag als wir die Yeni-Lodge erreichen. Wieder eine idyllische Lodge mit kleinen Holzhütten. Kein Stom, nur Kerzenlicht in unseren Unterkünften. Kalte Duschen. Und Moskitonetze, die wir wirklich brauchen.

Wir geben unserem Drang nach Bewegung nach und spielen trotz der immer noch 30 Grad Fußball. Habe ich gestern nicht noch meine Daunenjacke vermißt? Auf jeden Fall bin ich nach dem Spiel erledigt. Da kommt eine kalte Dusche genau recht.

Nach dem Abendessen gehen wir bei einem Nachtspaziergang auf die Suche nach Fröschen, Spinnen, Zikaden und sonstigem Getier. Erstaunlich was sich so alles bei Nacht im Wald tummelt, wenn man nur ein bißchen aufmerksam durch die Gegend läuft.

20.09.2011: Wir werden mit einem riesigen Obstsalat zum Frühstück überrascht. Lecker. Ich habe schon jetzt den Verdacht, daß das viele Boot fahren und Sitzen und das gute Essen meiner Figur nicht gut tun werden. Um 6:00 Uhr sitzen wir bereits im Boot. Und gleich in der ersten Stunde sehen wir eines der selten zu sehenden Capybara am Ufer stehen. Bevor wir mit dem Boot näher heranfahren können geht das Capybara auch schon auf Tauchstation. Die struppig aussehenden Tiere sind mit den Meerschweinchen verwandt. Nur sollte man sich von dem ‚chen‘ nicht irreleiten lassen, denn die Capybara erreichen ein stolzes Gewicht von 50 bis 60 Kilogramm.

Noch vor dem Mittag legen wir bei der Blanquillo-Lodge an, beziehen unsere Zimmer und machen uns dann gleich wieder mit dem Boot auf zu einem nahe gelegenen See. Hier in der Nähe des Rio Madre de Dios gibt es einige der sogenannten Oxbow Lakes, die Heimat für viele Vogelarten, aber auch für schwarze Kaimane und Riesenseeotter sind. Es handelt sich um meist u-förmige  Flussarme, die vom ursprünglichen Fluss durch eine Veränderung des Flussbettes abgeschnitten wurden. Der See gehört zu einem Privat-Reservat und wir können mit einem Holzkatamaran eine Bootsfahrt auf dem See machen.

Vögel über Vögel gibt es zu beobachten. Unser Profifotograf, der mit uns auf Tour ist, kommt aus dem Fotografieren mit seinem 500 mm-Geschoß nicht heraus. Und so lerne selbst ich Vogelbanause einige der Vögel kennen. Kann mich natürlich nicht mehr an alle gesehenen Flieger erinnern, immerhin sind im Manú um die 1.000 Vogelarten registriert. Aber gefallen haben mir der Schwarzkehlkardinal (im Englischen viel sinnvoller als red capped cardinal bekannt), das Jaçana (Rotstirn-Blatthühnchen), die Eisvögel, Fischreiher und grüne Ibisse. Und nicht zu vergessen der Hoatzin, der mit seinem lustigen Schopf auch als Zigeunervogel bekannt ist. Man hört ihn meistens bevor man ihn sieht: ein heiseres Schnaufen und tiefes Atmen, so daß ich eher mit einem Wildschwein im Unterholz als mit einem Vogel gerechnet habe. Der Hoatzin ist ein lustiger Vogel, der im Gegensatz zu anderen Vogelarten nicht gerne von den Einheimischen gegessen wird. Er mag zwar schwerfällig und damit einfach zu jagen sein, aber er STINKT! Denn der Hoatzin ernährt sich ausschließlich von Blättern und verdaut diese wie ein Wiederkäuer. Interessanterweise erfolgt die Verdauung im wesentlichen in seinem überdimensionierten Kropf, der um ein Vielfaches größer ist als der eigentliche Magen und innen mit Hornleisten versehen ist, welche die großen, abgerupften Blätterstücke zu einem feinen Brei zerreiben. Was sich die Natur nicht so alles einfallen läßt.

Nach dem Mittagessen setzen wir auf die andere Uferseite des Rio Madre de Dios über. Ein weiterer Oxbow Lake wartet auf uns. Auch diesen befahren wir mit einem Holzkatamaran. Es ist heiß, sicherlich 30 Grad. Und Darwin unser Guide paddelt uns mit Hilfe von unserem Bootsgehilfen Carlito über den See. Die beiden kommen gut ins Schwitzen, während wir faul auf der Holzplattform sitzen und uns auf die Vögel konzentrieren. Um uns herum schwirren Bienen und wie der Teufel es will, sticht mich eine direkt in den Ellenbogen. Reflexartig schlage ich auf die Einstichstelle. Biene tot, Stachel steckt, es tut weh! Grrrr. War das jetzt nötig? Noch 3 Stunden später tut es verteufelt weh.

 

 

 

 

 

 

Was wir nicht mitbekommen, sind die Riesenotter, dies sich weit hinter uns auf dem See tummeln und uns wohl beim Anlegen beobachten. Erst von einer 15 Meter hohen Aussichtsplattform in einem Baum werden wir auf sie aufmerksam. Von dort oben haben wir einen phänomenalen Ausblick auf den See und die Umgebung. Und als Highlight sitzt der Great Potoo (Riesentagschläfer) in einer Astgabel in dem Baum. Ein Vogel, der aussieht wie die Rinde des Stammes und sich nicht bewegt. Denn wie der Name es schon sagt, verschläft dieser Vogel den Tag. Trotz ‚Wegbeschreibung‘ einiger Vogelkundler, die vor uns auf dem Turm waren, brauchen wir fast 30 Minuten um ihn zu finden. Uns traktieren die Mosquitos hier oben auf der Plattform, trotzdem harren wir aus bis zum Sonnenuntergang. Ein spektakulärer Blick über den Dschungel von hier oben auf der Plattform! Bei Einbruch der Dämmerung steigen wir ab; so sehen wir zwischen den Metallgitterstufen der Treppe nicht mehr die schwindelerregende Tiefe bis zum Waldboden.

Im Dunkeln wandern wir zu unserem Boot zurück. Glühwürmchen schwirren um uns herum. Nur sind es auch in diesem Fall keine ‚chen‘, sondern eher Helikopter. Darwin fängt uns eines der Glühwürmchen, das sich als Käfer entpuppt, der im Flug orange leuchtet, während er im Ruhen grün leuchtet. Und für einen krönenden Abschluß stöbern wir noch einige fette, dichtbehaarte Tarantulas auf. Ich hätte ja eigentlich in Erinnerung an alte Zeiten meiner kleinen Schwester (haha Insiderwitz über den ich damals spinnengeschockt nicht lachen konnte) eine dieser behaarten Spinnenexemplare einsammeln sollen. Aber der Gedanke eines dieser Tierchen dauerhaft in meiner Nähe zu haben besagt mir nicht so wirklich. Und dann taucht so ein handtellergrosses Exemplar auch noch im Esssaal abends auf! Ihr könnt sicher sein, daß ich immer in meine Schuhe vor dem Anziehen geschaut habe und mein Moskitonetz immer an allen Ecken dicht unter der Matratze steckte.

21.09.2011: Wache mit juckenden Mückenstichen an den Fußknöcheln auf; dafür hat sich mein Bienenstich beruhigt. Wir brechen noch vor dem Frühstück zur Ara-Lecke auf dem Gebiet der Blanquillo-Lodge auf. Wir wollen sehen, ob es wirklich die beste und größte Ara-Lecke Perus ist. An dieser Lecke sollen sich täglich hunderte von Aras und anderen Papageien versammeln, um die mineralreiche Erde aufzunehmen um damit die mit der Nahrung aufgenommenen Pflanzengifte zu neutralisieren. Das Wetter ist bescheiden, der Himmel zugezogen, es regnet zwischendurch, was die Aras davon abhält, an die Lehmwand zu fliegen. Trotzdem ist es ein Spektakel aus grünen Sittich- und Papageischwärmen, die immer wieder auffliegen, um dann zurückzukommen. Ich bin fasziniert, werde nebenher mit Frühstück versorgt. Es gibt Pancakes – hmmm – nur der Honig lockt die Bienen an, so daß ich sehr vorsichtig beim Essen bin nach meinen gestrigen Erfahrungen. Und schließlich meint Petrus es gut mit uns. Der Himmel zieht auf, die dunkelroten Aras lassen sich herab und kommen in Paaren hinunter an die Wand. Rund 40 Aras – rot-grün-blau gefärbt – hängen an der Tonsteilwand, klammern sich dort fest und lecken, knabbern und picken an der Erde herum. Was für ein farbenfroher Anblick! Und zum Abschluß fliegen sie aufgescheucht in einem buntern Farbgeflimmer auf und davon. Die Macaw-Salzlecke war ein absolutes Highlight für mich!

Mit dem Boot geht es zurück zur Lodge zum Mittagessen. Und dann brechen wir auf in Richtung geschützte Zone des Nationalparks. Bevor wir diese erreichen steht noch ein weiterer Übernachtungsstop in der Yeni-Lodge an. Heute ist das Wasser viel ruhiger als die letzten Tage. Der Wasserstand ist über einen Meter gesunken, wie ich an der Uferböschung sehen kann. Ich wundere mich, daß wir nicht schon längst mal an einem unter der Wasseroberfläche liegenden Baumstamm hängen geblieben sind. Denn immer wieder liegen kreuz und quer Äste und riesige Baumstämme mitsammt ihrem Wurzelballen im Fluss. Was muß hier in der Regenzeit für eine reißende Strömung herrschen, damit diese Baumgiganten mit ihren Wurzeln den Fluss hinab schwimmen! Und manchmal hat die Strömung fast kunstvoll auf die hängengebliebenen Baumstämme weitere Stämme und Äste geschoben. Und ab und zu behauptet sich ganz oben auf diesem Holzgewirr die ein oder andere grüne Pflanze. So entstehen neue Inseln.

22.09.2011: Abfahrt 6 Uhr. Viele ‚Holzkrokodile‘ schwimmen den Fluss hinab und ich freue mich einmal mehr über unseren tollen Kapitän. Als wir den Rio Manú erreichen sehen wir auch ein paar weiße Kaimane. In den Biegungen des Rio Manú kann ich sehr gut den Unterschied zwischen Primär-und Sekundärregenwald erkennen. Wie mit dem Lineal gezogen hört der eine auf und fängt der andere an, wo auf Sand- und Kiesinseln die Vegetation wieder Fuß faßt.

Ein langer Tag mit dem Boot, bevor wir in der geschützten Zone des Manú und unserem Campamento Sacha Vaca ankommen. Das Camp ist einfach, da hier im Manú keine festen Einrichtungen gebaut werden dürfen.

Für den Nachmittag steht ein Hike zum Lake Salvador an. Kaum sind wir aus unserem Camp heraus, stolpern wir über Affen. Klammeraffen, Kapuzineraffen, kleine braune Tamarinden und flauschige Wollaffen. Sind sie direkt über uns in den Bäumen, kann es manchmal etwas gefährlich oder unangenehm werden. Wir werden mit Früchten beworfen, es krachen Äste durch das Blätterdach und Darwin warnt uns davor, daß die Affen sich manchmal auch direkt über uns menschlichen Störenfrieden erleichtern. Das bleibt uns zum Glück erspart und wir sehen fasziniert den in den Baumwipfeln turnenden Affen zu.

Der Holzkatamaran am Lake Salvador ist frei für eine Bootsfahrt. In jedem dieser Seen lebt eine Familie der Riesen-Seeotter, die es nur im amazonischen Regenwald gibt. Possierliche, aber recht große Tiere. Wir haben sie leider nur kurz aus der Nähe gesehen und sie vor allem aus der Ferne mit dem Fernglas beobachtet. Schmatz, schmatz – das haben wir laut und deutlich gehört. Auf dem Ruecken liegend, mit einem Fisch zwischen den Flossen schwimmen die Otter über den See. Immer am Spielen oder Futtern, denn die Otter verdrücken jeder am Tag rund 4 Kilo Fisch. Ein toller Anblick. Wie die Murmeltiere recken sie sich immer mal wieder aus dem Wasser und beäugen die Umgebung. Ich wünschte ich hätte sie filmen können.

Und nach der Rückkehr ins Camp stelle ich mich als erstes unter die Dusche. Erfrischend so eine kalte Dusche. Es ist bereits dämmrig und deshalb nicht allzu hell in der Dusche. Nicht, daß die kalten Duschen im Amazonasgebiet nicht erträglich sind, aber das braune Wasser sehe ich erst auf den zweiten Blick. Wegen der Regenfälle ist das Flusswasser so aufgewühlt, daß die Wasserfilter im Camp das Wasser nicht wirklich sauber filtern. Was für ein herrliches Gefuehl ist es nach einem feucht-schwülen Tag, völlig verschwitzt, sich unter die Dusche zu stellen … und dann zu überlegen: bin ich so dreckig oder ist es das Wasser? Auch Strümpfe oder T-Shirts auswaschen ist mit braunem Flusswasser natürlich ungeheuer produktiv. Aber wenigstens stinkt man nicht mehr so. Selbst das Teewasser, hier im Camp nur abgekochtes Wasser – natürlich gefiltert – aus dem Fluss. Auch ohne Teebeutel sieht es in der Tasse fast schon nach schwarzem Tee aus. Lecker!

23.09.2011: Es ist 4:30 Uhr und ich wache auf, weil ich auf Toilette muß. Während ich noch mit mir debattiere, ob ich wirklich durch den schwarzen Dschungel zum Toilettenhaus laufen will, fängt es in der Nähe an zu brüllen: Hua! Hua! Hua! Ohne Unterbrechung geht es so weiter. Kein Gedanke daran wieder einzuschlafen; also stehe ich auf. Das Brüllen dauert eine Stunde an. Zum Frühstück erfahre ich, daß eine Kröte das Konzert veranstaltet hat. Gleichzeitig ertönt in der Ferne des Dschungels ein an- und abschwellendes Heulen; als ob der Wind mit Kraft durch eine enge Schlucht drückt oder die Höllenhunde losgelassen sind. Die Brüllaffen sind in Aktion und ihr Heulen dringt mehrere Kilometer weit durch den Dschungel. Ich kuschele mich tiefer in meinen Schlafsack und lausche dem Urwaldkonzert.

Morgenausflug zum See. Diesmal sehen wir leider keine Otter. Heute ist das Wetter wieder trist und grau und wir kommen gerade noch eben so an Land bevor der große Regen beginnt. Wir gönnen uns eine kleine Teepause im Camp bevor wir mit dem Boot auf die andere Flussseite übersetzen. Wir sind auf der Suche nach den Wollaffen, die auf dieser Seite des Flusses, bis hin zu dem kühleren Pantiocolla-Bergrücken leben. Noch regnet es, aber nicht mehr so stark. Regenjacke an oder aus? Naß werde ich so oder so. Mit Regenjacke schwitzen, ohne Regenjacke regennaß. Ein Dilemma und eben typisch amazonisch. Schließlich bin ich im Regenwald. Die Temperatur fällt durch den Regen merklich, aber die Luftfeuchtigkeit steigt deutlich an. Schwitzen total ist angesagt. Ich freue mich jetzt schon auf meine Dusche heute abend – mit braunem Wasser :-&lt Seufz.

Dschungel, Regen im Regenwald, Feuchtigkeit, einfache Unterkünfte, braunes Wasser und Mosquitos machen dem ein oder anderen aus unserer Gruppe zu schaffen. Zwei von uns klinken sich immer häufiger aus. Ihnen ist sprichwörtlich das Lachen vergangen. Dschungel ist wohl doch nicht das was sie erwartet haben. Wir anderen sind fasziniert. Das Heulen der Brüllaffen, die kleinen flinken Tamarinden-Äffchen, riesige blaue Schmetterline (Blauer Maorphofalter), Wanderpalmen die mit Hilfe ihrer Wurzeln den Standort wechseln, armdicke Lianen und Würgefeigen, die sich als Samen in einer Baumkrone niederlassen, langsam, aber sicher ihre Luftwurzeln Richtung Boden schicken, sich dort verankern und mit der Zeit ein dichtes Netz um den Wirtsbaum bilden und ihn mit zunehmender Dicke ihrer Luftwurzeln einfach strangulieren. Wunderschöne Baummuster sehen wir bei unseren Touren durch den Dschungel. Und dann begleitet uns noch die Stimme des Amazonas: Nie zu sehen, immer laut zu hören, mit einem faden graubraunen Federkleid – wir hören einen aufsteigenden melodischen Dreiton von ‚ooh-AH‘, der in einem durchdringenden, unglaublich lauten ‚SQUEEEE, SQUEEEE-AH‘ gipfelt. Die quietschenden, kreischenden, fast schon künstlichen Töne könnten auch zu einem Computerspiel gehören. Am Anfang noch lustig, gehen sie mir nach ein paar Stunden wirklich auf den Geist.

24.09.2011: Wieder steht uns eine lange Bootsfahrt bevor. Wir verlassen unser Campamento in den Tiefen des Manú-Nationalparks und machen uns auf den Weg zur Pantiacolla-Lodge. Darwin, unser Guide, ist hier aufgewachsen. Es wird wieder eine lange Fahrt. Den Rio Manú geht es abwärts und dann stromaufwärts auf den Rio Alto Madre de Dios. Zum Glück ist der Fluss ruhiger als die ersten Tage, trotzdem muß unser Bootskapitän uns an einigen Stellen kunstvoll durch einige Stromschnellen manövrieren. Vor allem noch im Bereich des Rio Manú sehen wir Kaimane, kleine weiße und riesige schwarze Exemplare. Am frühen Morgen zeigen sich uns Unmengen kleiner Sand-Nachtschwalben, aufgereiht auf den aus dem Wasser herausragenden Ästen sitzend. Ansonsten bleibt alles ruhig. Große Tapirspuren im Sand zeigen uns, daß hinter dem grünen Blätterdickicht viel mehr Leben herrscht als wir sehen. Und der kurze Boxenstop an der Sandbank läßt uns das am ganzen Leib auch erfahren: Sandfliegen fressen uns fast bei lebendigem Leib auf. Wir sind froh als die Fahrt weiter geht.

Auch heute gibt es Essen auf dem Boot. Reis mit Gemüse und leckerem Möhren-Apfelsalat. Dazu Brot, das inzwischen schon ein wenig trocken ist. Es ist ein Wunder, daß es noch nicht hart oder verschimmelt ist, denn wir schleppen das Brot bereits seit Beginn unserer Fahrt in den Amazonas mit uns.

Unser Highlight heute ist unser Hike am Nachmittag durch den Wald der Pantiacolla-Lodge. Das Gelände der Lodge zieht sich am Hang des Pantiacolla-Bergrückens über mehrere Vegetationszonen hin. Wir sehen ein Horde der kleinen, braunen, flauschigen Tamarinden-Affen. Es macht unheimlich Spaß sie bei ihren Sprüngen von Baumkrone zu Baumkrone zu beobachten.

25.09.2011: Die morgens besuchte Vogellecke ist wenig ergiebig und nach unserer Abgeschiedenheit in der geschützten Zone des Manú-Nationalparks etwas überlaufen. 4 Boote liegen am Ufer. Aber die grünen Sittiche und grünen Papageien verstecken sich in den grünen Bäumen und kommen nicht an die Lecke herab. Nur wenn sie aufgescheucht in großen Schwärmen durch die Gegend fliegen, sind sie gut zu sehen. Hätte ich doch ausschlafen können! Aber es ist ein wunderschöner Morgen mit Morgennebel über dem Wasser. Idyllisch – wäre die Ruhe und das Vögelgezwitscher nicht immer wieder durch die Bootsmotoren gestört.

Frühstück und dann ein Hike durch den oberen Wald der Lodge. Die Ausbeute heute: Pilze, Blumen, Kautschuk-Bäume, Schmetterlinge und Affen.

Und dann mit einem Schokoladenkeks und Buch zum Relaxen in die Hängematte. Und da beobachte ich eine mir unbekannte Spezies: Chinesen aus dem Vogelclub in Taipeh. Sie sind mit großen Hüten mit Mundschutz, langärmeliger Gaderobe und Handschuhen sprichwörtlich bis zu den Haarspitzen vermummt. Und dabei ist es heute so warm, daß mir bereits im Sitzen der Schweiß den Rücken herunterrinnt. Puhh. Und jeder der Vogelbeobachter hat Kamera mit Riesen-Teleobjektiv umhängen. So streifen sie durch das Gelände der Lodge und immer wieder ist das ‚rattattattattat‘ der Kameras zu hören. Abends setzt dann eine lebhafte Diskussion am Nachbartisch ein über die gesehenen Vögel. Nicht daß ich etwas versehen würde. Mit dem schatternden Chinesisch macht die Gruppe fast schon dem morgendlichen Vogelchorus Konkurrenz.

Bevor wir allerdings am Abendbrottisch sitzen, haben wir den Nachmittag an einer heißen Quelle verbracht. In einen kleinen Bachlauf mit kühlem Wasser mündet eine heiße Quelle. Wir lassen uns so richtig einweichen. Die Nase ist etwas irritiert durch den Geruch nach faulen Eiern, aber der Körper entspannt sich wunderbar. Und so kommen wir total relaxt zurück in die Lodge und lassen uns von unserem Vogelfotograf Glenn von seiner Begegnung mit einer Horde Pekaris berichten. Diese wilden Schweinchen haben ihn mitsamt seiner Kamera wohl fast umgerannt. Das hätte ich doch zu gerne gesehen.

Oh, und dann war da noch Peter, der uns zum Lachen gebracht hat. Er wollte nach unserem Bad in den heißen Quellen unbedingt die letzten 100 Meter bis zur Lodge im Fluss schwimmen und sprang aus dem Boot – das Wasser ist hier tief genug – aber leider kam er nicht ans Ufer. Die Strömung nahm ihn einfach mit. Während wir bereits am Ufer standen, fuhr unser Bootsmann dann nochmal los und sammelte Peter einiges stromabwärts auf der anderen Uferseite auf.

26.09.2011: Ein letztes Mal früh aufstehen. Ich genieße die letzten 3 Stunden Fahrt mit unserem Boot. Um kurz vor 11 Uhr sammelt uns der Bus in Atalaya auf. Nun stehen uns 9 Stunden Fahrt bis Cusco bevor. Ein Horror! Ich denke mit gemischten Gefühlen an unsere Fahrt die Bergstraße hinab. Diesmal ist es ein Bus mit deutlichen Gebrauchsspuren, um nicht zu sagen, er rüttelt, schüttelt und quietscht auch ohne tiefe Schlaglöcher schon von ganz alleine. Unser Fahrer ist diesmal auch Gaspedal-freundlicher. Und so geht es in gutem Tempo bergaufwärts.

Mittagsstop in San Pedro und schon geht es weiter. Irgendwann setze ich mich dann ganz nach vorne auf die Beifahrerseite direkt neben den Fahrer. Auch der Koch sitzt hier und wir unterhalten uns ein bißchen. Die Aussicht ist von hier aus viel besser. Vor allem kann ich gut erkennen, daß die Straße wirklich breit genug ist für unseren Bus. Und das Schwanken des Busses – rechts – links – aber bitte nicht zu weit, denn da ist doch ein Abgrund neben mir – ist nicht ganz so zu spüren. Der Anblick einiger Überreste eines LKWs am Straßenrand beunruhigen mich dann doch etwas. Der Lkw hat wohl die Kurve nicht so ganz hinbekommen und hat letzten Freitag den Abgang gemacht. Einige bunte Holzplanken der Seitenverkleidung des Trucks und ein bißchen was von der Fracht wurde wieder nach oben auf die Straße geholt und liegt da nun so herum. Unser Koch erzählt mir dann, daß so ein Absturz schon mal häufiger vorkommt. Natürlich nur bei den Lkws versichert er mir, denn da würden die Fahrer betrunken fahren. Im Tourismusverkehr sei betrunken fahren natürlich nicht erlaubt. Unser Fahrer grinst mich nur breit an. Gibt nochmal Gas. Überhaupt freut er sich immer diebisch, wenn er mal wieder ein Schlagloch nicht umfahren kann und es uns alle bis auf die Knochen durchschüttelt. Trotzdem ist er voll bei der Sache und liefert uns um 21 Uhr sicher in Cusco ab. Ein langer Tag und eine herrliche Tour gehen zu Ende.

27.09.2011: Zurück in Cusco kann ich ausschlafen – ein herrliches Gefühl! Eine heiße Dusche mit klarem Wasser – ein noch besseres Gefühl! Und die Wäsche kommt schnell zum Waschen, damit der muffelige Geruch aus dem feuchten Amazonasgebiet verschwindet. Ich nehme Abschied von Cusco, denn morgen geht mein Flieger nach Brasilien zu den Iguazú-Wasserfällen.

Dieser Beitrag wurde unter Peru, Südamerika abgelegt und mit , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert