Määäähhhhhh

Auf unserer Fahrt gen Norden von Wellington Richtung Tongagiro Nationalpark blättere ich durch den Reiseführer während Ela fährt und stelle wieder einmal fest, daß keine spektakulären Unterbrechungen auf unserer Fahrt zu erwarten sind. Dafür sammeln wir aber Kiwi-Eindrücke.

Otaki, lese ich im Reiseführer, bietet Designer- und Outdoor-Outlets. Ich habe kaum ausgesprochen, da tritt Ela auch schon auf die Bremse und parkt den Wagen am Straßenrand. Shopping-Pause! Das denken nicht nur wir, sondern eine Menge anderer Leute auch. Und so ist der kleine Ort Otaki – von Obst- und Gemüsemüsegärten umbaut – vollgepropft mit Autos und kaufwütigen Fußgängern. Hier ist Outlet-City!

Nachdem wir die Outdoorgeschäfte durchstöbert haben – für mich sprang dabei ein kleiner, leichter Regenschirm heraus – geht die Fahrt weiter. Der Reiseführer weist auf Foxton als „die interessanteste Ortschaft der Horowhenua-Region mit nostalgisch anmutenden Ladenfassaden“ hin, deren Ortsbild heute von einer holländischen Windmühle dominiert wird. Wir beschließen hier einen Kaffee zu trinken. Sind jedoch schon äußerst skeptisch bei der Einfahrt in die Ortschaft. Beim Besuch der Mühle wird uns dort in dem kleinen Laden die neuste Erungenschaft vorgestellt: Ein Computer. Und Internet gibt es auch! Das ist so aufregend neu für den Verkäufer in der Mühle, daß er uns hoffnungsvoll fragt, ob wir nicht eine Email schreiben und nach Hause schicken wollen. Lachen oder Weinen? Wir flüchten aus der Mühle in das gegenüberliegende kleine Cafe. Vielleicht ist ein Muffin oder ein großer Cookie zu haben? Natürlich, aber die Auslage sieht ein wenig verhungert aus.

Weitere Stops verkneifen wir uns und fahren bis Whanganui durch. Dort sammeln wir einen weiteren Superlativ: „Durie Hill Elevator – unique in the southern Hemisphere“. Durch einen 213 Meter langen Tunnel, den ein geschnitzes Maori-Eingangstor ziert, gelangen wir zu einem Aufzug, der uns 66 Meter hoch auf den Gipfel des Hügels Durie Hill bringt. 1919 eröffnet, um den Bewohneren auf Durie Hill den Fußweg zu erleichtern, ist der Aufzug heute ein Relikt aus alten Zeiten, aber immer noch in Benutzung. Es gibt sogar eine Monatsfahrkarte zu erstehen. Wir kaufen eine einfache Fahrt für $3 (einschließlich $1 für den Touristpass) und erhalten als Gegenleistung eine hübsche Aussicht auf die Stadt und den Whanganui River.

Gemäß meinem Reiseführer gibt es kaum etwas schöneres als einen sonnigen Nachmittag in der Victoria Avenue von Whanganui zu vertrödeln. Als wir durch die Innenstadt entlang der Victoria Avenue schlendern frage ich mich, ob der Autor meines Reiseführers tatsächlich in Whanganui gewesen ist. Oder war seine Sicht durch Rauschmittel geschönt?! 17 Uhr wochentags werden in Whanganui die Gehsteige hochgeklappt. Wir haben die Hoffnung eine nette Kneipe oder ein kleines Restaurant zum Abendessen zu finden, denn die nächsten Tage werden wir wieder Selbstversorger sein. Die meisten Cafes und Restaurants liegen in der Victoria Avenue – gibt uns der Reiseführer Auskunft. Doch wo sind sie? Wir stolpern über den ein oder anderen Take Away, aber ansonsten nichts zu sehen. Schließlich entdecken wir ein Restaurant namens Stellar mit netter, etwas aufgehübschter Kneipen-Atmosphäre und sehr leckerem Essen. Ein Blick in den Reiseführer und wir sind wieder irritiert: „Stellar – großes, todschickes Restaurant mit Bar…“. Groß und mit Bar ist zutreffend, aber todschick?!

Am nächsten Tag genießen wir auf unserer Fahrt gen Norden einen herrlichen Blick auf den Whanganui River. Diesen Lookout verschweigt unser Reiseführer ganz; allerdings lobt er den Whanganui River in den Himmel.

Und dann sind da die Schafe. Unmengen von ihnen. Irgendwo müssen die 45 Millionen Schafe, die es in Neuseeland geben soll, ja auch sein. Und doch sollen es heute nur noch halb so viele sein wie vor 3 Jahrzehnten; verdrängt von Wild- und Straußenzuchten oder Weinbergen. Wir kommen an zwei Schaffarmen vorbei. Ein Geblöke und Gejammere ist das! Määääähhhhh! Aber es ist natürlich auch unerträglich, wenn einem der schöne warme Pelz geklaut wird. Da stimmen wir fast in das Jammern solidarisch ein. Die einen Schafe warten noch in einer Umzäunung bis sie in den Friseursalon geführt werden und beklagen die Warterei. Die anderen versammeln sich nackt und jammernd auf dem angrenzenden Gelände, nachdem sie aus dem Friseursalon wieder durch einen kleinen Ausgang entlassen wurden. Und aus dem Schaf-Friseursalon dröhnt laute Rockmusik – der Rhythmus der Scherer offensichtlich. Wir fragen uns, wo wir hier sind. Kakatahi? Kann doch nicht sein, oder? Ein Ort mit nur zwei Schaffarmen? Aber es scheint so zu sein.

Und die Hausnummer Wanganui 3531 wartet mit einer Überraschung der besonderen Art auf. Schuhe. Schuhe. Und noch mehr Schuhe. Unendlich viele Schuhe. Und alle hängen sie über dem Zaun, der parallel zur Straße führt. Was das wohl sein soll? Dieses Geheimnis haben wir nicht gelüftet. Ob das eine Kiwi-Tradition ist?

Apropo Kiwis: Man beachte bitte die Schilder!

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